Großauftrag für britisches KKW: Robotertechnologie sichert Qualität des nuklearen Dampfversorgungssystems
Das Atomkraftwerk Hinkley Point im Südwesten von England, am Bristolkanal gelegen, besteht mit dem Hinkley Point A und Hinkley Point B aktuell aus zwei Anlagenteilen. Der Anlagenteil Hinkley Point C erhält zwei neue Druckwasserreaktoren des Typs EPR (European Pressurized Reactors), die der Bauweise der bereits nach Finnland, Frankreich und China gelieferten Reaktoren entsprechen. Mit einer Nettoleistung von jeweils 1.600 MW werden diese beiden Reaktorblöcke damit zu den zehn leistungsstärksten der Welt gehören.
Gebaut wird die Reaktor-Doppelanlage vom französischen Energiekonzern EDF in Gemeinschaft mit dem chinesischen Projektpartner China General Nuclear Power (CGN). Für dieses Projekt wurde dem Industriedienstleister Bilfinger eine bedeutende Rolle übertragen und als strategischer Lieferant (Tier 1) für das Hinkley Point C-Projekt ausgewählt. Zu den umfangreichen Beauftragungen verschiedener Leistungen gehören unter anderem die Fertigung und Montage von Rohrleitungen und Geräten für das nukleare Dampfversorgungssystem, kurz NSSS genannt (Nuclear Steam Supply System). Kernkraftwerke mit Druckwasserreaktoren bestehen immer aus zwei Teilen:
- einer nuklearen Insel, in der das NSSS untergebracht ist und deren Hauptaufgabe die Dampfversorgung ist (Primärkreislauf),
- und einer konventionellen, nicht-nuklearen Insel, die der Stromerzeugung dient und deren Turbinen durch den Dampf angetrieben werden (Sekundärkreislauf).
Das Nukleare Dampfversorgungssystem (NSSS) ist dabei der Teil des Kernkraftwerks, das zur Erzeugung von Dampf für die Versorgung der Turbinengeneratoreinheiten dient, diese wiederum der Stromerzeugung dienen. Die Hochdruck-Rohrleitungen des NSSS für die entsprechenden Wasser-Dampf-Kreisläufe müssen hierbei den höchsten Sicherheitsstandards entsprechen. Eine Voraussetzung dafür sind bestmögliche Schweißnahtverbindungen, welche einer definierten Spezifikation unterliegen. Für den dafür sprichwörtlichen „Inneren Feinschliff“ ist INSPECTOR SYSTEMS mit seiner anerkannten und vielfach bewährten Schleifrobotertechnologie nun schon seit fast 40 Jahren weltweit der Spezialist.
Roboter-Fuhrpark für Rohrleitungsgrößen von DN 100 bis DN 750
Erfahrung und Know-How auf was es bei diesem Projekt ankommt, sind ausreichend vorhanden. Bei allen bisherigen Bauprojekten des Reaktoren Typ EPR kam die Rohrroboter-Technologie von INSPECTOR SYSTEMS zum Einsatz. So werden auch für Hinkley Point C Rohrroboter von uns die notwendigen Arbeiten verrichten.
Zur inneren Bearbeitung und Prüfung der sicherheitsrelevanten Schweißnähte des nuklearen Dampfversorgungssystems (NSSS) beauftragte uns die Firma Bilfinger mit dem Bau eines ganzen Rohrroboter-Fuhrparks, bestehend aus insgesamt 14 speziellen Geräten mit unterschiedlicher Anwendung. Für die Rohrgrößen DN 100, DN 150 bis 200, DN 250 bis 350, DN 400 bis 500 werden jeweils ein Schleifroboter inklusive visueller Prüfungskamera, ein Absaugroboter und ein Laserscanroboter geliefert.
Eine Besonderheit stellt die Rohrgröße DN 750 dar. Dafür wird ebenfalls ein Schleifroboter hergestellt, das Absaugen und Laserscanning wird aber von einem extra entwickeltem Kombi-Roboter übernommen, welcher beide Anwendungen ermöglicht.
Vor mehr als zehn Jahren, beim EPR-Projekt Olkiluoto in Finnland, gab es bereits eine Zusammenarbeit zwischen INSPECTOR SYSTEMS und Bilfinger - seinerzeit noch unter der vormaligen Rohrbausparte BHR Hochdruck Rohrleitungsbau GmbH im Kernkraftwerksbau tätig. Auch damals kamen bereits Rohrroboter von INSPECTOR SYSTEMS zum Einsatz und konnten die gestellten Anforderungen erfolgreich erfüllen.
Hohe Anforderungen an die Qualität sicherheitsrelevanter Schweißnähte
Schweißnähte in sensiblen Bereichen von Atomkraftwerken müssen den hohen Anforderungen der Sicherheitsklassen entsprechen. Durch ein gezieltes Schleifen der innenliegenden Schweißwurzeln während der Rohrleitungsmontage wird zum einen die Qualität der Rohrleitung erhöht, zum anderen die später im Betrieb wiederkehrenden Prüfungen erheblich erleichtert.
Voraussetzung ist das Entsprechen bestimmter Spezifikationen. Die sehen vor, dass die Oberfläche einer Schweißnahtwurzel einen Mittenrauwert von 6,3 µm nicht überschreiten darf. Die Winkel der Flanken, welche durch den Kantenversatz der Rohrleitung entstehen, müssen kleiner 7° sein. Ein hochkomplexer Bearbeitungsvorgang, welche von den speziell dafür entwickelten Schleifrobotern von INSPECTOR SYSTEMS bis im Zehntelmillimeterbereich durchgeführt werden kann.
Im geschliffenen Bereich darf die Restwandstärke die Nennwandstärke nicht unterschreiten und die Verunreinigung des Rohres muss vermieden werden. Die Absaugung der entstehenden Rückstände von Schleifstaub erfolgt anschließend durch spezielle Absaugroboter, die einen gereinigten Zustand der Rohrsysteme sicherstellen. Um zu gewährleisten, dass der Schliff der spezifizierten Anforderung entspricht, wird mit Hilfe des Laserscanroboters das axiale Profil der Schweißnaht an mehreren Winkelstellungen aufgenommen und durch die Software protokolliert.
Erst der Abschluss der grundsätzlichen Arbeiten ermöglicht die weiteren Abnahmeprüfungen visueller und röntgentechnischer Art.
Ausgeklügelte Robotertechnik für höchst präzise Anwendungen
Ein Rohrroboter von INSPECTOR SYSTEMS, in seiner Grundkonzeption ein modularer Aufbau, ist eine hoch entwickelte und über die Jahrzehnte hinweg verfeinerte und ausgereifte Maschine Diese besteht aus hunderten mechanischen, elektrischen und pneumatischen Einzelteilen, teils mit sehr spezifischen Geometrien, welche nahtlos zusammengefügt und aufeinander angepasst sind.
Die Basis für den modularen Aufbau bildet eine oder mehrere Antriebseinheiten. Diese verfügen über ausfahrbare Radträger, die den Roboter mittels einer einstellbaren Vorspannung im Rohr zentrieren und stabilisieren. Diese Konstruktion erst ermöglicht es, schwer zugängliche Stellen im Rohr zu erreichen, die sich hinter Bögen mit einem Biegeradius von 1.5 D, vertikalen Rohrleitungsabschnitten, Durchmesserreduzierungen oder Abzweigungen befinden.
In Kombination mit einem Anwendungsmodul sind punktgenaue Bearbeitungen und Prüfungen von Schweißnähten an jedem gewünschten Winkel im Rohrumfang möglich. Genutzt werden dafür speziell für dieses Projekt speziell entwickelte Schleif-, Absaug- oder Laserscanmodule mit integrierten Zentrier-/Stabilisierungsmechanismen und hochpräzisen 360° Dreheinheiten sowie spezifischer Verstellmöglichkeit ihrer Anwendungselemente in axialer-radialer Richtung (Schleifscheibe, Absaugdüse oder Laser).